Seit 1999 gibt es den Verein Kulturkosmos Müritz, der den offiziellen Rahmen für die Umsetzung unserer Ideen und Vorstellungen bildet. Gemeinsames Ziel unseres Handelns ist der Versuch, unserem Ideal von einem selbstbestimmten Leben abseits kapitalistischer Zwänge und Verwertungsinteressen nahe zu kommen. Wir wollen Utopien für uns und andere im Hier und Jetzt erlebbar und im Modellversuch realisierbar machen.
Wir sind eine sich stetig wandelnde und entwickelnde Gruppe mit festem Kern, die sich in den vergangenen Jahren auf dem ehemaligen sowjetischen Militärflugplatz an der Müritz zusammengefunden hat. Eine freie und offene Gemeinschaft von Mitstreiter:innen verschiedenster Couleur, deren Lebensrealitäten, Berufe und Wohnorte ganz verschieden sind, die aber alle ihre freie Zeit für dieses gemeinsame Projekt spenden. Viele davon sind Kunst- und Kulturschaffende, andere kommen aus ganz anderen Ecken.
Schwerpunkt und Motor unserer gemeinsamen Arbeit ist die Organisation und die Durchführung des inzwischen international renommierten Fusion Festivals. Darüberhinaus realisieren wir auch andere Projekte, wie z.B. das at.tension Festival, ein zweijährig stattfindendes, interdisziplinäres Theaterfestival oder den Bau und die Konzeption eines Seminarhauses. Unser sicher umfangreichstes Vorhaben ist die Konversion des inzwischen über 100 ha großen Vereinsgeländes mit seinen grasbewachsenen ehemaligen Flugzeughangars von einer Militärbrache hin zu einem einmaligen Kulturgelände mit unzähligen Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten.
Unsere utopischen Ideen sind in den vergangenen 20 Jahren auf dem Boden der Realität gelandet. Wir experimentieren, probieren, diskutieren, verändern und machen und sind so der Verwirklichung unserer Vorstellungen von Leben, Individuum und Gemeinschaft auf anderen Wegen als den typisch gesellschaftlich vorgelebten ein ganzes Stück näher gekommen. Einen unersätzlichen Anteil an diesem Gelingen geben unsere meist wunderbaren Gäste und leidenschaftlichen Sympathisant:innen und Supporter:innen mit dazu.
Ideologisch gemeinsames Ziel unseres Handelns ist der Versuch, unserem Ideal von einem selbst- bestimmten Leben, abseits kapitalistischer Zwänge und Verwertungsinteressen, weitestgehend nahe zu kommen und Utopien für uns und andere im Hier und Jetzt erlebbar und im Modellversuch realisierbar zu machen. Ein hoher Anspruch, der sich immer wieder an unseren Widersprüchlichkeiten und Unfähigkeiten abarbeitet, aber uns trotzdem gemeinsam weiter vorantreibt.
Generell wird der Verein nicht durch öffentliche Gelder oder Förderungen jedweder Art finanziert. Das macht uns unabhängig und ist etwas, worauf wir auch etwas stolz sind.
Lediglich für Veranstaltungen im Bereich Theater/Performance, besonders zu den Anfängen der Fusion Ender der 90iger und mit dem Start des at.tension-Festivals 2006-2007, wurde der Kulturkosmos in meist bescheidenem Maße durch Bund, Land, Kreis und Gemeinden gefördert.
2006 hat der Verein erstmalig eine Förderung über zwei Jahre durch den Fonds Neuer Länder der Bundeskulturstiftung erhalten. Diese 50 000,- € wurden zum Aufbau eines neuen eigenständigen Theaterfestivals genutzt. Das at.tension-Festival war geboren und hatte sich nach den ersten 2 Ausgaben zu einem internationalen Theaterfestival im ländlichen Raum entwickelt, das in kurzer Zeit Anerkennung und viele begeisterte Anhänger:innen gefunden hat.
Das at.tension-Festival hat Dank der Aufbauhilfe der Fördergelder von Bund, Land und Kommune den Start geschafft. Das Festival war aber am Ende nur realisierbar, weil die gesamte Crew und alle Beteiligten Helfer:innen, zum Teil über Wochen, ihre Zeit unentgeltlich dem Projekt gespendet haben und auf das sehr kraftvolle Netzwerk der Fusionaktivist:innen zurückgegriffen werden konnte.
Um die Zukunft dieses Festivals zu sichern und weil wir glauben, dass erst durch die gemeinsame Zeitspende ein egalitäres Kollektiv gefördert wird, haben wir bereits 2008 beschlossen, dieses Prinzip der unentgeltlichen Arbeit zur Grundlage der Mitarbeit und zum Anspruch an alle beteiligten Helfer:innen und Mitarbeiter:innen zu machen. Dieser Anspruch an die zukünftigen at.tension-Festivals umfasst nicht nur ein internationales, spannendes und vielfältiges Festival an einem ungewöhnlichen Ort, mit einem außergewöhnlichen Publikum. - Es geht auch um den gruppendynamischen Prozess, der sich entwickelt, wenn alle Beteiligten auf gleicher Ebene an einem Strang ziehen. Gerade darin entsteht die Bewegung, die Großartiges vollbringen kann. Ein kollektiver Prozess, wie er in etablierten, hierarchisch strukturierten und fördergeldabhängigen Kulturprojekten niemals entstehen wird.
Für den Verein stellte sich im Zuge der Förderanträge und –abrechnungen schnell grundsätzlich die Frage, ob so ein Subventionskind wie das at.tension Festival weiterhin abhängig vom Gutdünken und der finanziellen Förderung der öffentlichen Hand gehalten werden sollte, oder ob wir die Verantwortung selbst übernehmen können und Wege finden, dieses Festival vollständig aus eigenen Mitteln zu finanzieren.
Neben dem großen Arbeitsaufwand, der mit Förderanträgen einhergeht, wollten wir uns auch nicht durch Förderrichtlinien vorschreiben lassen, aus welchen Ländern oder zu welchen Themen wir unser Programm gestalten, oder welche Kooperationen wir forcieren und ausbauen, nur weil dies gerade europapolitisch opportun ist, oder bundespolitischen Förderschwerpunkten entspricht.
Allerdings haben auch wir keinen Gelddruckmaschine und auch unsere Einnahmen durch das Fusions Festival sind limitiert, insbesondere seit wir 2010 erstmals die Tickets begrenzt haben und es somit kein Besucherwachstum mehr gibt. Wenn wir in den letzten Jahren immer wieder –schweren Herzens und oftmals etwas zu spät- die Eintrittspreise für das Fusion-Festival erhöhen mussten, dann vor allem deshalb, weil wir nur so die Gesamtausgaben des Vereins mit all den wichtigen Projekten decken können.
Dank des Vereinsbeschluss, das at-tension-Festival mit einer festen Summe zu unterstützen, ist es uns gelungen, die at.tension seit 2006 zweijährig stattfinden zu lassen.
Zweifellos sind wir in einer, im Vergleich mit den meisten Kulturprojekten, privilegierten Situation, denn wir gehören zu den Ausnahmeprojekten in dieser Republik, die nicht in Abhängigkeit an Fördertöpfen hängen und die völlig unabhängig schalten und walten können. Diese Position wollen wir uns auch erhalten und nach Möglichkeit weiter ausbauen. Darum finanzieren wir das at.tension-Festival selbst und verzichten auf Fremdmittel. Um als Beispiel die at.tension 2013 zu nehmen: Das Gesamtbudget war 395.000€, der Kulturkosmos hat 90.000€ zum Festival beigetragen, der Rest der Kosten wurde aus Eintrittsgelder und natürlich wieder der ehrenamtlichen Mitarbeit der vielen Mitwirkenden bestritten.
Wir haben unsere inhaltliche Kritik am Verfahren der Kulturförderung der Bundeskulturstiftung direkt mitgeteilt; das Verfahren der Förderabrechnungen wurde dann 2010 dank unserer Ausführungen vereinfacht.
Bei aller Kritik, die wir im Kontext Kulturförderung äußern können, möchten wir dem Fonds Neuer Länder, dem Kultusministerium MV, dem Landkreis Müritz sowie den Gemeinden für ihre Unterstützung danken. Wenn wir in den vergangenen Jahren nicht gefördert worden wären, hätten wir die Herausforderung eines eigenständigen Theaterfestivals zur der damaligen Zeit nicht aufgenommen und die vielschichtigen Potentiale dieses Projektes womöglich langfristig verkannt. Auch in Zukunft wird es im Kulturkosmos neue und spannende Projekte geben, die finanzielle Förderung von außen benötigen. Hier sind alle potenziellen Geldgeber:innen aufgefordert, diese Initiativen und Projekte bestmöglich zu unterstützen.
Unzählige Stunden ehrenamtlichen Engagements wurden zum Aufbau des Kulturkosmos und zur Organisation der Festivals geleistet. Viele Sympathisant:innen und Unterstützer:innen haben in all den Jahren am Aufbau des Kulturkosmos mitgewirkt. Ein Großteil der örtlichen Jugend ist durch Mitarbeit und durch das Festival selbst in ihrer Sozialisation geprägt worden. Jährlich wird Ende Juni, zur Vorbereitung des Festivals, von mehr als 1000 Helfer:innen eine unglaubliche Dynamik in Gang gesetzt, in deren Verlauf Wahnsinniges geleistet und Großartiges geschaffen wird. Während des Festivals sind dann in etwa 7000 Aktivist:innen am Start. Die Erfolgsgeschichte des Kulturkosmos ist somit ein Verdienst all derer, die in den ganzen Jahren mit angepackt und aktiv zur Entwicklung beigetragen haben. Das Fusion-Festival wird inzwischen von einem Netzwerk von fast 200 selbständig handelnden Gruppen getragen, die in verschiedensten Bereichen mitwirken und über eine finanzielle Gratifikation der geleisteten Arbeit, kollektiv ihre eigenen kulturellen oder politischen Projekte unterstützen. Hier entstehen nicht nur finanzielle Synergieeffekte, hier entstehen auch überregionale Strukturen und Netzwerke, die dann z.B. bei der Realisierung des at.tension-Festivals, bei Jugendarbeit und den Aktivitäten der assoziierten Gruppen zum Tragen kommen.
Weil das Projekt in den vergangenen Jahren so unglaublich gewachsen ist, und sich auch die Lebensrealitäten vieler Kulturkosmonaut:innen verändert haben, wäre ein Betrieb auf rein ehrenamtlicher Basis, heute nicht mehr denkbar. Die Grundphilosophie, dass jedeR nur das macht was sie/er leisten kann und alles weitere entweder liegen bleibt oder von anderen erledigt werden muss, hat immer noch Gültigkeit für alle Ehrenamtlichen im Verein. Aber die Realität sieht so aus, dass es endlos Vieles gibt, was nicht mehr durch ehrenamtliches Engagement geleistet werden kann, aber auch nicht liegen bleiben darf. Darum beschäftigt der Verein inzwischen über 30 feste Mitarbeiter:innen, die zu einem großen Teil aus der Region kommen und all die Aufgaben übernehmen, die durch die Vereinsmitglieder und ehrenamtliche Unterstützer:innen nicht mehr erbracht werden können. Dies sind vor allem der Ausbau, die Pflege und der Erhalt des großen Vereinsgeländes, Gartenbau sowie Baumaßnahmen an einem im Bau befindlichen Gäste- und Seminarhauses, sowie die Buchhaltung und umfangreiche organisatorische Aufgaben bei der Festivalplanung. Das Fusion Festival ist beispielsweise eins der wenigen großen Festivals weltweit, das sein Ticketing immer noch in Eigenregie durchführt. Dafür hat der Verein ein Ticketing-Büro in Berlin aufgebaut, in dem das ganze Jahr über zum Teil Angestellte, zum Teil Vereinsmitglieder arbeiten und eigene Lösungen für die logistische Herausforderung des Versendens und Verwaltens der Tickets finden.
Seit 2013 hat sich der Verein nach langer Diskussion entschlossen, nicht mehr ausschließlich ehrenamtlich zu arbeiten, sondern auch in Ausnahmefällen Vereinsmitglieder anzustellen oder Angestellte mit in den Verein zu nehmen. Trotzdem bleibt es unser erklärtes Ziel, weiterhin eine autarke Arbeitsatmosphäre der Freiwilligkeit und Gemeinnützigkeit zu erhalten.
Diese Lohnarbeitsverhältnisse sind wohl einer unserer projektimmanenten Widersprüche, aber gleichzeitig auch ein Teil des Erfolgs und unserer Anerkennung in der Region.
KULTURKOSMOS STIFTUNG
Die Kulturkosmos Stiftung gGmbH wurde 2016 ins Leben gerufen. An die Stiftung können Förderanträge durch gemeinnützige Vereine gestellt werden, die Kunst und Kultur fördern, sowie sich der Arbeit für politisch, religiös oder rassisch Verfolgten, für Flüchtlinge und Kriegsopfer widmen.
Das Fusion Festival wird vom Kulturkosmos Müritz e.V. veranstaltet, aber vor allem durch das Zusammenspiel von verschiedenen Gruppen, Vereinen und Kollektiven realisiert. Zunächst im Hinblick auf das Fusion-freie Jahr 2017 und die daraus für beteiligte gemeinnützige Vereine möglicherweise entstehende Lücken in der Finanzierung, wollte der Kulturkosmos Müritz e.V. diesen Vereinen die Möglichkeit geben Förderanträge zu stellen.
Das Erliegen des kulturellen Lebens und die Absage des Fusion-Festivals 2020 bedeuten für viele Vereine und Projekte eine ökonomische Katastrophe. Sie sind akut existenziell bedroht und bekommen keine oder nur unzureichende staatliche Unterstützung.
Der Kulturkosmos hat einen Solidaritätsfond zur Unterstützung des Fusion-Netzwerks eingerichtet. Dieser Spendentopf soll existenziell gefährdeten Gruppen das Überleben in dieser Krise erleichtern, sowie falls nötig auch das Theaterfestival at.tension 2021 absichern.
Mensch kann direkt an die Stiftung spenden:
Kulturkosmos Stiftung
GLS BANK
Christstraße 9, 44789 Bochum
IBAN: DE36 4306 0967 1116 6858 01
BIC: GENODEM1GLS
Vereine können ihren Antrag per Email an den Kulturkosmos Müritz e.V. schicken, unter folgender Emailadresse: foerderfonds(at)kulturkosmos.de
Bisher wurden folgende Vereine und Projekte gefördert:
Wir haben auf der Grundlage der Gemeinnützigkeit unseres Vereins 2007 einen Spenden-Fonds eingerichtet, um Geld zu sammeln für die finanzielle Unterstützung von Jugendarbeit und kulturellen Projekten in der Region: Den Jugend-Kultur-Förderfonds.
Hintergrund war der Mangel an finanziellen Mitteln, unter dem viele Projekte in MV leiden und der oftmals existenzgefährdend ist. Öffentliche Gelder für Jugendarbeit und Kulturprojekte sind seit Jahren zunehmend schwieriger zu akquirieren und gerade selbstverwaltete Kulturprojekte und Jugendzentren haben oftmals kaum noch Chancen, an die wenigen Fördermittel zu kommen.
Viele dieser regionalen Projekte sind seit Jahren Teil unsere Organisationsstruktur, die gemeinsam das Fusion Festival realisieren. Das Festival hat sich in vielerlei Hinsicht als Hilfsmotor für Projekte und Initiativen im gesamten norddeutschen Raum entwickelt.Unsere Mitstreiter:innen haben durch ihr Engagement die Möglichkeit, finanzielle Mittel zur Sicherung ihrer eigenen Projekte zu erwirtschaften. Inzwischen besteht das Kulturkosmos- Netzwerk aus über 200 Gruppierungen und Projekten. Für viele ist das Festival zu einer existenzsichernden Institution geworden.
Mit dem Förderfonds haben wir ein weiteres Instrument geschaffen, zum Support und Erhalt von linken Strukturen und Projekten in MV und zunehmend auch in Brandenburg. Der Fond sammelt seit 2007 Spenden von Menschen, die bereit sind, Jugend- und Kulturarbeit zu unterstützen. In aller erster Linie sprechen wir gezielt Künstler:innen an, die auf dem Festival spielen und die für die Probleme der Region sensibilisierungsfähig sind und es sich leisten können, ihre Gage in den Fonds zu spenden. Auch alle, die in den vergangen Jahren zu Dauergästen im Festivalprogramm wurden, werden aufgerufen, ihre Gage in den Fonds zu spenden. Neben allen Künstler:innen, die auf der Tanzwüste spielen, haben immer wieder namhafte Acts zugunsten des Fonds auf eine Gage verzichtet. Die Namen der Künstler:innen die gespendet haben, werden im jeweiligen Fusion-Guide veröffentlicht.
An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an alle, die in den vergangenen Jahren gespendet haben!
Wir verwalten alle Spenden auf einem separaten Konto. Projekte können Anträge an den Kulturkosmos stellen. Diese müssen zwar schriftlich begründet sein, die Entscheidung erfolgt jedoch recht formlos durch die Vollversammlung des Vereins.
Voraussetzung für eine Förderung furch den Förderfond ist, neben der Gemeinnützigkeit des antragstellenden Projektes, die inhaltliche Ausrichtung auf Jugend- und/oder Kulturarbeit, sowie ein regionaler Wirkungskreis, wobei wir „regional“ inzwischen auch auf den ländlichen Raum in Brandenburg ausgeweitet haben.
Der Kulturkosmos behält sich vor, einen Teil der Gelder (max. 50%) für eigene Projekte im Bereich regionaler Jugendarbeit zu verwenden. Angesichts fehlender eigener Projekte hat sich diese Option in den vergangenen Jahren allerdings auf die Co-Finanzierung des Jugendtheatercamps reduziert. Somit sind fast alle Spenden an externe Projekte gegangen. Zukünftig gibt es jedoch Pläne, mehr eigene Projekte in Sachen Jugendarbeit zu realisieren.
Projekte, die einen Antrag beim Fond stellen wollen, können dies per Mail an foerderfondsl(ät)kulturkomos.de senden.
In den letzten Jahren haben wir folgende Projekte unterstützt:
2017
Wir verzichten an dieser Stelle auf eine Selbstdarstellung zugunsten eines Auszugs aus einem Buch von Johanna Ickert über den Kulturkosmos.
Sie beschreibt darin die Frühgeschichte des Projektes in de 90er Jahren.
Der Kulturkosmos Müritz e.V. ist Mitte der 90er Jahre aus einer Gruppe von zumeist Hamburger Künstlern und Kulturschaffenden hervorgegangen. Die Gruppe nannte sich zunächst „U-Site“ (Underground Ort/Platz) und organisierte ab 1993 an meist entlegenen Orten Kulturevents. Kennzeichen der gemeinschaftlich organisierten Veranstaltungen war ihr nicht-kommerzieller Charakter und die breit gefasste, inhaltliche Ausrichtung, die Raum für verschiedenste Genres aus den Bereichen Musik, Theater und Performance bot. Übergeordnetes Ziel der Gruppe war es, einen Gegenpol zur zunehmenden Kommerzialisierung bisheriger alternativer Kulturformen (wie z.B. Techno-Kultur) zu etablieren. Die Kritik der Gruppe an dem gängigen Kulturbetrieb wird auf www.u-site.de folgendermaßen formuliert: „…Konkurrenz, Ausgrenzung, Kommerzialisierung und Vereinsamung bestimmen zunehmend das Bild. Verworfen werden dabei Solidarität und soziales Handeln, Arbeit aus anderen als finanziellen Motiven, aber auch Inhalte wie schlecht zu vermarktende Bereiche von Kunst und Kultur. Hiervon sind weder Subkultur noch der Bereich "elektronische Musik" und sein Umfeld ausgenommen.“
Dementsprechend wollte die Gruppe von ihrer Programmatik her sowohl unkommerzielle Veranstaltungen schaffen, die von Vielen gemeinsam und in Eigenverantwortung getragen werden sowie verschiedene Kunstformen, Subkulturen und Szenen zusammenführen. Dadurch sollte (Sub-)Kultur in den öffentlichen Raum getragen und Freiräume nutzbar gemacht werden. Die Einbeziehung von politischen und sozialen Themen sollte die Entwicklung einer kritischen Öffentlichkeit fördern (ebd.). (…)
Den U-Site Akteuren ging es schon in der Frühphase ihrer Kooperation um eine Toleranzsteigerung und die Ausflaggung von kultureller Heterogenität. Durch ihre Aktionen wollten sie gemeinsame Räume für Wahrnehmung, Kognition sowie kreative Formen vernetzten Handelns und Lernens schaffen. Den Rahmen hierfür sollte die gezielte Aneignung von ungenutzten Räumen in Verbindung mit Musik aus unterschiedlichen Richtungen als auch installativer Gestaltungskunst und Theater-Performances bieten. In diesem Kontext sollte anderen Künstlern und Kulturschaffenden unabhängig von ihrem kommerziellen Erfolg ein Forum zur Präsentation ihrer Arbeit geboten werden. Die Zusammenführung von verschiedenen Subkulturen, so heißt es in der Selbstdarstellung der Gruppe, sollte den Blick für „Neues und Unbekanntes“ öffnen und „Denkanstöße und Kreativität über enge Genregrenzen hinwegtragen“ (ebd.). Mit der bewusst unkonventionellen Gestaltung der Veranstaltungen sollte sich mit der Zeit ein spezifisches Milieu herauskristallisieren. Es ging dabei nicht nur um Fragen der politischen oder ästhetischen Natur der Veranstaltungen, sondern auch um solche des Zugangs und der Aufnahme von Milieuwissen. Werbung für die halblegalen oder illegalen, an unüblichen Orten veranstalteten Events wurde prinzipiell abgelehnt; Informationen wurden lediglich über Mundpropaganda oder selten über Mikromedien wie Flyer kommuniziert.
Die U-Site Akteure suchten vornehmlich ungewöhnliche Orte mit einer besonderen Atmosphäre auf, die durch ihre kulturelle Konversion eine räumlich-symbolische Abgrenzung zur Mainstreamkultur darstellten. Meist handelte es sich um ungenutzte, verlassene Orte, die durch den Niedergang von Schlüsselindustrien im Zuge der ostdeutschen Transformation aufgelassen wurden. Aber nicht nur leerstehende Militär- oder Fabrikgebäude wurden zu „U-Sites“ (Undergrund-Plätzen), auch Waldlichtungen, der Strand des Ostseebads Prora etc. reizten die Gruppe zu inoffiziellen, meist mit äußerst geringen Mitteln realisierten Aneignungen. Das Risiko der Illegalität mitsamt den in den Räumen vorherrschenden Sicherheitsrisiken wurde in Kauf genommen und war Mitbestandteil der Inszenierung.
Bei der Wahl der Orte ging es allerdings weniger um eine Auseinandersetzung mit deren Geschichte, sondern vielmehr um die Chance auf subjektive Aneignung. Es ging folglich darum, das Verständnis eines Ortes frei und individuell erfahrbar zu machen es ging um „Feiern in den Ruinen des Vorhergegangenen“
Einen solchen Ort der Ruinen fand die Gruppe dann letztendlich auf dem Flugplatz in Lärz. (…)
1996 war die Gruppe im Landkreis Müritz unterwegs und entdeckte das seit mehreren Jahren brachliegenden Gelände auf dem ehem. Militärflugplatz bei Lärz mehr oder weniger zufällig.
Obwohl die Gruppe nicht auf der Suche nach einem festen Standort war, sondern, stets nach einer Bespielung neuer Orte suchte, waren die Mitglieder beeindruckt von den Möglichkeiten, die das Gelände bot: „Wir hatten da einen Ort gefunden, der uns plötzlich Möglichkeiten eröffnet hat, die dann wiederum die Phantasie beflügelt haben. Erst der Standort hat dann auch die Richtung vorgegeben, oder vielmehr die Option, dort ein Festival zu realisieren.“ Der Flugplatz erschien der Gruppe optimal für die Entwicklung einer kontinuierlichen, jährlich stattfindenden, größeren Veranstaltung: „(...) wir haben da von Anfang an gesagt, dass das etwas werden soll, das sich kontinuierlich, langsam und aus sich selbst heraus entwickelt.“ Die Anfrage, ob man das 50 Hektar große Gelände mit 12 Hangars, einer Landebahn und kleinen Waldstücken vom Bundesvermögensamt für einen Monat im Sommer pachten könne, fiel positiv aus. Auch von Seiten der Verwaltung und des Ordnungsamtes gab es prinzipiell keine größeren Bedenken.
Nachdem die Gruppe die Genehmigung erhalten hatte, fand im Sommer 1996 das erste „U-Site-Gathering“ mit rund 800 Gästen statt. Wie bei den anderen Veranstaltungen waren auch hier überwiegend Freunde, Bekannte und Akteure des U-Site-Netzwerkes aus Hamburg und Berlin anwesend. Die Bewohner wussten aufgrund fehlender Werbung nichts von der Veranstaltung und wurden bis auf solche „die die Antenne dran hatten“ nicht in das Milieu und deren Veranstaltung integriert.
Nach der ersten Veranstaltung fand ein Gespräch mit dem Amtsleiter statt, bei dem gemeinsam eruiert wurde, ob man das Festival fortsetzt oder nicht: „(...) das war ungewöhnlich für sie, dass jemand eine Veranstaltung machen wollte, ohne das ganze aktiv zu bewerben, aber es wurde nicht als ausgrenzend empfunden, sondern eher als unbekanntes Konzept, um Veranstaltungen zu machen.“
Nach den Verhandlungen mit den örtlichen Behörden stand fest, dass die Gruppe einmal jährlich ein Festival auf dem Gelände organisieren kann. So fiel 1997 der Startschuss für die erste „Fusion“.. Bis 1999 lebten die Gruppenmitglieder der U-Site noch in Hamburg, Berlin und Leipzig und kamen im Sommer jeweils für 4 Wochen auf das Gelände. Dafür transportierten sie alle für das Festival notwendigen Materialien nach Lärz „Die Gruppe hat alles umsonst gemacht. Weder für künstlerische Leistungen noch für andere Leistungen gab es irgendwas ausbezahlt.(…)“ Auch in der U-Site Selbstdarstellung ist festgehalten, dass das Handlungspotential des Kollektivs aus der Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit erwächst. Dort heißt es: „Die U-Site arbeitet als Kollektiv, in das unterschiedlichste Menschen ihre Arbeit und ihre Fähigkeiten einbringen. Nur ihr freiwilliger und unbezahlter Einsatz macht ein solches Projekt möglich.“ (…) Recht schnell kam die Frage auf, ob man das Gelände nicht langfristiger nutzen, und es dementsprechend anstelle von 4 Wochen im Sommer nicht halb- bzw. ganzjährig pachten solle. Mit dem Engagement auf dem Gelände ging der Wunsch einher, sich unter gesicherten Bedingungen zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung anzusiedeln. Die Gruppe hatte ein Höchstmaß an Energie investiert: Da das Gelände anfangs kaum zu bewirtschaften war, mussten zunächst die Reste des Flughafenbetriebs entfernt werden: „Da lagen ja tonnenweise Stahlseile, Betonklötze und so rum (...), es war schon mühsam, diese Flächen überhaupt mähbar zu machen.“ Zudem mussten Wasser und Abwasserleitungen gelegt werden, und das alte Kommandanturgebäude instand gesetzt werden. Vor allem aber hatte die Gruppe begonnen, die Gebäude als auch die 12 Hangars auszubauen und in aufwendigen Prozessen künstlerisch zu gestalten. 1999 beschloss man die Gründung des gemeinnützigen Vereins „Kulturkosmos Müritz e.V.“ und konnte die Verlängerung des Pachtvertrages auf ein Jahr durchsetzen.
Mit dem Erlangen des Pachtvertrages wurde aus dem Arbeitsprojekt auch ein Wohnprojekt. Einige Mitglieder der Gruppe, die vorher nur temporär in Lärz in den Monaten rund um das Festival lebten, zogen auf das Gelände. Schnell entstand der Wunsch, zur vollständigen Absicherung das Gelände zu kaufen: „(...) der Bund hat uns nur einjährige Pachtverträge gemacht. Das war dann so von wegen „da kann morgen einer kommen und dann sind wir trotz allem, was wir hier gemacht haben, weg“. Es war also ein Muss, damit das hier nicht alles den Bach runter geht.“ (…)
In den folgenden Jahren änderte sich das Organisationsprinzip der Gruppe im Sinne einer kontinuierlichen Professionalisierung. (…) So herrschte zu Beginn bspw. noch ein recht lockerer Umgang mit den Finanzen „(...) wir haben die ganzen ersten Jahre nie irgendwelche Finanzpläne und Budgets gemacht. Sondern mehr nach dem Motto „soundsoviel haben wir, jetzt ist nichts mehr da, jetzt können wir nichts mehr buchen. (...) Wir haben immer das gemacht, wo wir Bock drauf hatten. Klar mussten wir uns auch manchmal einschränken, aber wir haben das nie anhand irgendwelcher Finanzpläne gemacht.“ Obwohl von den Akteuren des Kulturkosmos immer wieder betont wird, dass es sich bei dem Wachstum des Festivals immer um ein „organisches Wachstum“ handelte, zählte bereits die Fusion 2007 trotz fehlender Werbung 36.000 Besucher. Trotz eines fehlenden Masterplans hat sich das Festival kontinuierlich aus sich selbst heraus entwickelt. Es stiegen aber nicht nur die Besucherzahlen, sondern auch das Gelände wurde weiter ausgebaut und das Angebotsspektrum wurde vielfältiger und anspruchsvoller. So wurde bspw. der Bereich Theater stetig erweitert, bis hin zu der Etablierung des eigenständigen, internationalen Theaterfestivals „at.tension“. (…)
1999 entschloss sich die Gruppe dazu, einen Kaufantrag für den vollständigen Erwerb des Geländes zu stellen. In der lokalen Öffentlichkeit provozierte dieser Antrag einen umfassenden, äußerst bewegten Diskurs zu der Frage, welche Auswirkungen ein Geländekauf seitens des Kulturkosmos auf die Region haben könne. Die Auseinandersetzung gewann bei großer Aufmerksamkeit der Lokalpresse schnell an Eigendynamik: Der örtliche Regionalanzeiger druckte in regelmäßigen Abständen Leserbriefe von Bewohnern der Orte Rechlin und Lärz, die innerhalb der 2 Jahre andauernden Auseinandersetzung zu einem zugespitzten Schlagabtausch gediehen. Die Lärzer Gemeindevertretung hatte sich als erstes für den Geländekauf entschlossen, der Bürgermeister aus Rechlin, Olaf Bauer, setzte sich jedoch zum Ziel, die Unterbindung des Vorhabens „als Schwerpunktthema seiner Bürgermeister-Karriere“ auszuerkehren.
Die Debatte um den Geländekauf wurde dabei recht schnell zu einem Synonym für allgemeine Fragen rund um die Zukunft der Region. So wurde von vielen Seiten kritisiert, dass das Fusion-Festival das Wohl und die Entwicklung der Müritz-Region existentiell gefährden könne. Der Protest einiger Bürger gegen den Geländekauf hörte sich zum Teil folgendermaßen an: „Bürger Rechlins, wacht endlich auf! Es betrifft nicht nur die anderen, es geht uns alle an! Lasst nicht zu, dass Teile des Lärzer Flughafen an Betreiber einer drogenträchtigen Großveranstaltung verkauft werden! Es geht um unsere Kinder, es geht um unser aller Existenz, um die Schönheit unserer Gegend und um den Ruf unseres Gebietes!“ (Regionalanzeiger vom Oktober 2001: 10).
Die Bedrohung durch den Geländekauf des Kulturkosmos wurde zudem durch den Tourismusverbands der Mecklenburgischen Seenplatte unterstrichen. Dieser nannte vor allem die schädigende Auswirkung des Festivals auf die noch junge Tourismuswirtschaft als zentrales Argument. So hieß es, das Festival würde viele Touristen aufgrund des damit verbundenen Lärms verärgern. Der Ruf der Region als „Südliches Eingangstor des Müritz Nationalparks“ stünde somit in Gefahr. Dieser Imageverlust würde sich fatal auf die Tourismusentwicklung und damit auf die Regionalentwicklung insgesamt auswirken. Die Tatsache, dass Investoren der Region wie Hotels, die Klinik Retzow und Feriendörfer sich zurückziehen würden und Touristen bereits Schadenersatz gefordert hätten, seien erste Beweise (ebd: 9). In der Ostseezeitung hieß es „(...) ein zufriedener Urlauber wird drei weiteren Personen davon erzählen, ein verärgerter jedoch 18 vor so einem Urlaub warnen“. Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass sich, wie oben bereits angedeutet, der Drogenkonsum- und Handel negativ auf den Tourismus, vor allem aber auf die örtliche Jugend auswirken würde (Ostseezeitung vom 25.10.2001). Ein weiteres Argument lag darin begründet, dass der Kulturkosmos für den Geländekauf und die Kampfmittelbeseitigung rund 1,5 Mio. Euro zahlen müsse und deshalb gezwungen sei, über die Ausweitung der Fusion die Schulden zu tilgen. Wenn der Kulturkosmos erst einmal die Liegenschaft vom Bundesvermögensamt erworben habe, so hieß es, würde er keine Rücksicht mehr auf die Gemeinde nehmen müssen. Der Verein hatte zwar angegeben, sich an eine Lärmobergrenze zu halten und auch eine erklärte Selbstbeschränkung abgegeben, dass die Fusion die einzige Großveranstaltung sei, dies wurde jedoch von einigen Bürgern stark angezweifelt. Dass der Verein der Region „nichts bringen“ würde, da er aufgrund seiner Gemeinnützigkeit keine Steuern zahle und zudem aller Wahrscheinlichkeit nach keine Arbeitsplätze schaffe, war ein weiterer Punkt. (vgl. Regionalanzeiger vom November 2000: 5ff.).
Vor allem aber gab es abweichende Vorstellungen davon, was unter „Kultur“ zu verstehen sei. So hieß es in einem offenen Brief an den Kulturkosmos, dass es sich bei den Vereinsmitgliedern um „Chaoten mit Chaosveranstaltungen“ handeln würde, die „unter dem Deckmäntelchen der Kultur Profil und Profit suchen“. Die ursprünglichen Intentionen des Vereins, gegen eine rein kapitalistische Verwertung von Kunst und Kultur anzugehen, wurde also im Kern angefochten (Neue Mirower Zeitung vom 27.10.2001).
Von anderer Seite wurde aber auch Kompromissbereitschaft signalisiert. So plädierte bspw. ein Bewohner des Ortes Vietzen dafür, dass der Kulturkosmos die Fläche weiterhin pachten solle, damit die Gemeinde Einfluss auf die Veranstaltungen nehmen könne. Hierbei wurde auch auf die Möglichkeiten der Kooperationen hingewiesen: „Warum finden bspw. die Gemeinde, die Tourismusbranche, die mittelständischen Betriebe der Region und der Verein Kulturkosmos nicht einen gemeinsamen Ansatzpunkt, die Fläche gemeinsam zu vermarkten und nach dem Motto „Die Jugend baut mit“ in vielfältiger Weise die vorhandenen Hangars themengerecht umzubauen, einzurichten und gemeinsam zu nutzen?“ Hierdurch, so wurde argumentiert, könne sich eine breit gefächerte Berufs- und Freizeitlandschaft ergeben, die zwar viel Zeit, Engagement und auch Geld beanspruchen würde, der Region aber mehr Nutzen brächte als eine einseitig ausgerichtete Großveranstaltung „von der tausende Partypilgerer profitieren, den Anwohnern und vielen Gästen aber die Ohren dröhnen.“ (Regionalanzeiger vom Oktober 2001: 12)
Die Unterstützer des Vereins, wie anfangs noch der Lärzer Bürgermeister Hartmut Lehmann, meinten, dass man dem Kulturkosmos in jedem Falle Vertrauen schenken könne. Unternehmen, die auf dem Gelände tätig waren, hätten demnach stets einen positiven Eindruck gehabt: Versprechen seien eingehalten worden, Rechnungen pünktlich gezahlt worden etc. Zudem habe es positive Aussagen des Kulturministeriums in Schwerin, des Jugendamtes des Landkreises und des Schulverwaltungs- und Kulturamtes des Landkreis Müritz gegeben. Außerdem unterstrich er: „Nur in einer Vielfalt der Kulturen kann jeder sein Klientel entdecken. (...) Betrachtungsweisen der Generationen und auch zwischen Jung und Alt sind zu berücksichtigen. So wie die Alten mit Blasmusik und Klassik leben, muss auch Pop und Techno seinen Platz haben“. Bezüglich der Drogenproblematik gab er an, dass dies ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, und nicht durch ein Verbot der Fusion behoben werden könne (ebd.: 8).
Auch der Aspekt der demographischen Entwicklung in der Region wurde erwähnt. So hob der Leiter der Jugendherberge von Mirow hervor, dass es wichtig sei, Begegnungsstätten für die Jugendlichen zu schaffen, um der Schrumpfung entgegenzuwirken. Jugendliche hätten zu wenig Platz, um „unter sich“ zu sein (ebd.:11). Man müsse „mit allen Mitteln“ um das kämpfen, was das Leben in der Region „bunter und reicher macht“, und jene unterstützen, die sich zu Initiatoren dessen machen (ebd.).
Der Kulturkosmos reagierte auf die Kritik und die Anregungen der örtlichen Bevölkerung mit kontinuierlich hoher Vermittlungsbereitschaft. So äußerte er sich u.a. im Regionalanzeiger folgendermaßen: „Mag sein, dass dem Denken von Unternehmen oftmals diese Logik unterliegt (...) dass Besitz in simpelster kapitalistischer Logik Macht bedeutet und dass Investitionen Rendite bringen müssen. (...) für unsere Arbeit als gemeinnütziger Verein hat sie jedoch keinen Bestand. (...) für uns als Kulturschaffende hat die Anerkennung und der Respekt der Menschen in unserem Umfeld eine sehr große Bedeutung.“ (ebd.)
In der Stellungnahme wurde zudem wiederholt darauf hingewiesen, dass der Kauf des Geländes einer langfristigen Sicherung des Projektes zugrunde läge. Bezüglich der Auswirkungen auf den Tourismus betonten die Akteure des Kulturkosmos, dass das Festival „zu einer kulturellen Belebung der Region führen kann. (...) die Festivalgäste [von denen viele mehrere Tage vor und nach dem Festival in der Region bleiben] sind bereits potentielle Touristen von morgen.“ Zudem forderten sie auf, sich einem „ehrlichen und konstruktiven Dialog über den Kulturkosmos und den Chancen einer kulturellen Belebung der Region nicht zu verschließen.“
In einer endgültigen Abstimmung im Jahr 2001 wurde dem Kulturkosmos der Kauf des Geländes schließlich zugebilligt. Rückblickend kann man festzustellen, dass sich im Kontext des diskursiven Prozesses nachhaltige Änderungen in der Handlungsorientierung der Beteiligten ergeben haben: So reflektierten sowohl die Akteure des Kulturkosmos als auch die Bewohner der Region ihr gemeinsames Verhältnis und das zur Region im Zuge der Debatte grundlegend. (…) Der Kulturkosmos betrachtete in diesem Kontext seine Rolle für die Jugendlichen in der Region als auch seine Möglichkeiten der kulturellen Impulssetzung als seine wesentlichen Entwicklungspotentiale. Dies bot für die Mitglieder den Anlass, weitere handlungspraktische Rahmenbedingungen für kollektive Lernprozesse und Interaktion zu schaffen. Dazu zählte einerseits die Schaffung von Gelegenheiten der Kommunikation: So lud der Kulturkosmos zu einem Tag der offenen Tür ein, um mit allen Beteiligten Fragen und Streitpunkte zu erörtern. Aber auch in der nachfolgenden Zeit organisierte er in regelmäßigen Abständen Veranstaltungen zur beidseitigen Integration. Hierzu zählten sowohl lokalhistorisch ausgerichtete Treffen (z.B. zum Gedenken an den GUS-Truppenabzug, eine Ausstellung über die Opfer der KZ-Nebenstelle von Ravensbrück in Retzow), Kinoabende, Benefizkonzerte zur Unterstützung von Jugendkulturprojekten in der Region u.v.m.. Dadurch wurden überschaubare Foren der Begegnung geschaffen, die durch ihre bewusste Ansprache lokaler Belange für aufgeschlossene (auch nicht-jugendliche) Bewohner der Region attraktiv waren. (…)
Folgende weitere Gründe sind dafür verantwortlich, dass sich das Verhältnis zwischen Kulturkosmos-Akteuren und den Bewohnern der Region gefestigt hat: Über die Jahre haben sich das Fusion-Festival und schließlich auch das Theater-Festival „at.tension“ zu den kulturellen Großereignissen in der Region entwickelt. Der Grund für die zunehmende Akzeptanz geht also auch maßgeblich mit den enormen regionalwirtschaftlichen Erfolgen (vor allem des Fusion-Festivals) einher: Die Hotels sind ausgebucht, das Supermarktgeschäft floriert, von den Gästen bleiben viele für einen längeren Zeitraum in der Region. Trotz der anfänglichen Konkurrenzbeziehungen bzw. fehlendem Vertrauen sind im Laufe der Zeit feste Bündnisse und auch unternehmerische Innovationen entstanden. So bietet zum Beispiel die Mirower Kanustation Rabatte an, wenn man ein Festivalticket vorzeigt, Bewohner bieten alternativ zum Busverkehr einen Shuttle-Transfer zum Festivalgelände an etc. (…)
Wider das Vergessen. Ein Blick in die Vergangenheit und wir sehen unseren Flugplatz inmitten einer Geschichte menschlicher Grausamkeit. Die Müritz-Region wurde bereits mit Ausbruch des 1.Weltkriegs zum militärischen Kerngebiet aufgebaut, später entsteht auf dem Flugplatz die größte Erprobungsstelle der Luftwaffe des Dritten Reichs. Die Nazis errichten hier ihr operatives Zentrum militärischer Aufrüstung, ihre „Waffenschmiede der Luftwaffe“. Das Nebenlager des Frauen-KZ Ravensbrück lag nur wenige Kilomenter entfernt; Häftlinge aus dem KZ wurden von Juli 1944 bis zum Mai 1945 gezwungen, hier zu arbeiten. Unzählige Menschen fanden hier den Tod.
Diese regionale Geschichte ist unsichtbar geworden - oder geblieben? Im Auftrag des antifaschistischen Kreisverbandes ist 1998 ein gut recherchiertes Buch in 1.Auflage entstanden, das wir Euch hier frei zugänglich machen wollen. Ansonsten in Druckform erhältlich für 5 Euro (zzgl. Porto).
Der Einfluss von Kultur auf gesellschaftliche Auseinandersetzungen und auf die Sozialisation von Jugendlichen ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit, der für alle Projekte des Kulturkosmos Müritz e.V. von großer Bedeutung ist. Durch seine Arbeit will der Kulturkosmos Denkanstöße geben und Möglichkeiten für die Konfrontation mit Neuem und Unbekanntem schaffen. Durch integrative Einbindung von Jugendlichen in die kulturellen Aktivitäten sollen Toleranz und Weltoffenheit gebildet und befördert werden. Die Sozialisation von Jugendlichen, in der, neben Familie und Schule, die Freizeitgestaltung die wohl wichtigste Rolle spielt, ist abhängig von Vorbildern, Idealen und dem Erlebnisspektrum in ihrem Alltag. Weltbilder werden geprägt durch Information, Wahrnehmung und Kommunikation.
Der Verein will dem Rechnung tragen und bietet auf dem Kulturkosmos-Gelände neben den über die Veranstaltungen vermittelten Erfahrungen Raum für verschiedene Jugend-Aktivitäten. Es finden jedes Jahr mehrere Jugendcamps statt, z.B. das Jugendtheatercamp, das sich kontinuierlich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigt und Jugendlichen aus verschiedenen Ländern und Lebensrealitäten eine kreative Auseinandersetzung mit aktuellen Themen ermöglicht.
In den Frühlings- und Sommermonaten werden auf dem Vereinsgelände verschiedene Jugendcamps zu kulturellen und gesellschaftspolitischen Schwerpunkten vom Kulturkosmos selbst oder eigenständigen Trägern durchgeführt.
JUGENDTHEATERCAMP - ART CAMP
Seit 2008 veranstaltet der Kulturkosmos Müritz e.V. Theatercamps in Kooperation mit verschiedenen Vereinen und unter tatkräftige Unterstützung von Kulturkosmonauten:innen, die während des Camps die jugendlichen Teilnehmer:innen betreuen und verköstigen.
Auf Teilen des Vereinsgeländes wird in den Sommerferien neun Tage lang gecampt und geprobt, werden Kostüme und Masken gebastelt. Auch die notwendigen Bühnenbilder werden gemeinsam angefertigt. Einen Großteil der Zeit verbringen die Jugendlichen bei den Theaterproben, die als Höhepunkt mit der Schlussinszenierung vor einem öffentlichen Publikum enden. Als Rahmenprogramm stehen Badeausflüge zum vereinseigenen See, eine Nachtwanderung, Kino, Karaoke-Abende sowie Grillen am Lagerfeuer auf dem Plan.
Die anspruchsvollen Theaterstücke begeisterten neben Eltern und Verwandten auch Theaterinteressierte aus der Region sowie Jugendliche der anderen Jugendcamps, die auf dem Gelände zu Gast waren.
Theatercamps mit Jugendlichen aus der Region
Die Jugendtheatercamps von 2008 bis 2011 wurden durch den Kulturkosmos Müritz e.V. unter der Leitung von zwei Theaterpädagog*innen aus unserem Umfeld, die Jugendämter der Landkreise Müritz (2008-2010) und Mecklenburg-Strelitz (2008), durch RAA MV (2010) sowie durch Spenden und Sponsoren aus der Region finanziert.
2008: „Animal farm“
Ein Maskentheaterstück frei nach George Orwell.
2009: „Auf der Lauer an der Mauer“
Ein selbstkonzipiertes Theaterstück zum 20. Jahrestages des Mauerfalls.
Diese Inszenierung wurde ebenfalls bei at.tension#3 vor begeistertem Publikum
aufgeführt.
2010: „Zukunft ohne Ende“
Eine Szenencollage unterschiedlicher Zukuntfsvisionen der jugendlichen
Teilnehmer:innen spannende Erfahrung für alle Mitwirkende war hierbei
die Teilnahme beim Festival „Prora 10“ auf Rügen.
2011: „Geschichten aus dem Neubau“
Aus der Erlebniswelt der Jugendlichen selbstkonzipiertes, genreübergreifendes
Stück mit Elementen aus dem Schatten-, Figuren und klassischen Theater.
Internationale Jugendbegegnungen "ART-CAMP"
Seit 2012 wird das Jugendcamp als internationale Jugendbegegnung realisiert. In Zusammenarbeit mit dem Träger SoBi (Soziale Bildung e.V.) aus Rostock treffen sich seit 2012 jährlich zwischen 50 und 70 Jugendliche aus ganz Europa. Die Umsetzung wird ausschließlich durch Mittel aus dem Förderprogramm Jugend für Europa getragen. Neben der kulturellen Bildung durch praktische Erfahrungen in der Anwendung verschiedener Kunstformen steht die Auseinandersetzung mit Themen der politischen Bildung im Fokus und kennzeichnet die Projekte.
2012:
“ Migration - Connecting People - Respect Diversity”: von einem internationalen Jugendcamp selbst entwickelte Cross-Media Theaterperformance mit selbst erstellten Kurzfilm-Einlagen zum Thema Migration, im Bezug zu den eigenen Lebenswelten.
2013:
„Soziale Ungleichheit - European Society Between Expectations And Reality”
Gemeinschaftsprojekt der internationalen Gruppe; in theater-, kunst- und medienpädagogischen Workshops entwickeltes Stück über die soziale Gerechtigkeit in Europa.
2014:
"Same same but different - gender aspects in our life”
Audiovisuelle Performance zum Thema Gender.
2015:
"Heart, Head, Hand – social and political movements in the EU"
Das Ergebnis war eine Performance, die an unterschiedlichen Orten auf dem Gelände des Kulturkosmos-Müritz e.V. präsentiert wurde.
2016:
"TOP DOWN & BOTTOM UP - communication and political systems"
Thematisiert wurden Kommunikation und politische Systeme und deren Auswirkung auf das Zusammenleben in Gesellschaft. Am Ende wurden die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem Thema in einer Schwarzlichttheaterperformance präsentiert.
2017:
"CHANGING THE CHANGE - challenges and pathways to sustainable development"
Im Jahr 2017 kamen 70 Jugendliche aus ganz Europa zusammen, die sich mit dem dem Thema von
Utopien und Dystopie globaler Entwicklungen beschäftigten.
2018:
"HISTORY PRESENT FUTURE - discovering effects of colonialism"
Im Jahr 2018 kamen über 60 Jugendliche zwischen aus Frankreich, Spanien, Italien, Polen und Deutschland zusammen. Das Projekt konzentrierte sich darauf, ein aktuelles gesellschaftspolitisches Thema mit kultureller Bildung und kulturellem Ausdruck zu verbinden.
2019:
"For me education is..."
Die Jugendlichen aus ganz Europa machten sich 2019 erarbeiteten zusammen die Thematik, was Bildung für sie bedeutet und stellten dies am Ende des Camps in einer Theaterperformance dar.
AJUCA
Das AJUCA ist ein alternatives Jugend Camp, das seit Sommer 2005 auf dem Kulturkosmosgelände stattfindet und an dem jährlich circa 300 junge Menschen teilnehmen.
Mit dem Camp wollen die AJUCA-OrganisatorInnen Jugendlichen aus ganz M-V, besonders aus den ländlichen Regionen, eine Alternative zum rechten Mainstream bieten und ihnen neue Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigen.
Mach mit!
Das Ajuca Camp freut sich immer über neue Gesichter, spannende Ideen oder einfach kleine Beträge, die das Camp vielfältig machen und kreativ mitgestalten. Wenn Du Interesse hast Dich zu beteiligen, mitzureden und mitzugestalten, dann melde Dich. Auch wenn du noch mehr über das AJUCA und die Idee dahinter erfahren willst, dann schreib ihnen eine Nachricht.
www.ajuca.de
THEATERTAGE: theaterpädagogische Workshops im schulischen und außerschulischen Bereich in den Landkreisen Müritz und Mecklenburg-Strelitz
In den Jahren 2009 und 2010 waren unsere Theaterpädagoginnen auch in den Schulen der Region rund um den Sitz des Kulturkosmos tätig, um auch über die Ferien hinaus theaterpädagogische Projekte in den angrenzenden Kommunen durchführen zu können. Angeboten wurden einwöchige Workshops für die Klassenstufen 2-9. Mit den Mitteln von Puppen-, Objekt-, Tanz- oder Maskentheater wurden mit den Schüler:innen verschiedene, oft politische Themen bearbeitet.
Da die finanzielle Beteiligung durch externe Träger sehr zurückhaltend war, wurden die Theatertage zu einem großen Teil durch den Kulturkosmos finanziert. Darüber hinaus bezuschussten die Jugendämter der Landkreise Müritz und Mecklenburg-Strelitz sowie die Heidehof-Stiftung und die Doris Wuppermann Stiftung die Workshops. Auch die Schulen selbst steuerten einen geringen Anteil zur Finanzierung bei.
Wir haben mit folgenden Schulen zusammengearbeitet:
Partnerschulen 2009:
Partnerschulen 2010:
„Ein zentraler Gedanke ist, dass Kinder etwas selber gestalten – ohne die Vorgaben eines Erwachsenen, aber dennoch in ihrer Idee unterstützt werden, sofern sie Hilfe haben
wollen."
Lärz bekommt eine Kinder- und Jugendfarm
In der Randlage des Ortes Lärz wird der Kulturkosmos Müritz e.V. das Gelände „Freier Himmel" erschließen. Neben 11 Wohneinheiten und dem Neubau der Kita soll dort auf 3437m2 ein offenes Jugendprogramm mit einem Nachmittagsangebot für Kinder und Jugendliche der Region entstehen.
Die Kinder- und Jugendfarm „Freier Himmel" bietet für junge Menschen zwischen 6 und 14 Jahren ein regelmäßiges und kontinuierliches Freizeitangebot. Die dort angebotenen Aktivitäten werden hauptsächlich im Freien stattfinden.
Die Kinder- und Jugendfarm „Freier Himmel" ist Mitglied im „Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze". Der BdJA ist ein bundesweiter Dach- und Fachverband für die Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Derzeit repräsentiert der BdJA über 180 eigenständige, überwiegend freie Trägervereine. Ziel der Arbeit des Verbandes ist es, dass pädagogisch betreute Spielplätze wie Kinder- und Jugendfarmen, Aktiv- und Abenteuerspielplätze, Kinder- und Jugendbauernhöfe, Stadtteilfarmen und ähnliche Einrichtungen geschaffen, als Regeleinrichtung betrieben und politisch wie wirtschaftlich abgesichert werden.
Der BdJA beschreibt im Folgenden die Charakteristika einer Jugendfarm:
„Jugendfarmen und Aktivspielplätze sind pädagogisch betreute Spielplätze, die vor allem Angebote für Kinder und Jugendliche im Schulalter machen – junge Menschen, die ein hohes Maß an Bewegungsbedürfnis, Erlebnishunger und Neugier mitbringen. Die Vielfalt an Erfahrungsbereichen und Gestaltungsmöglichkeiten stellt einen zentralen Aspekt der pädagogisch betreuten Spielplätze dar. Sie unterscheidet pädagogisch betreute Spielplätze sowohl von konventionellen Spielplätzen als auch von anderen Freizeitangeboten. Deshalb wurden sie im 10. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung als am ehesten kindgemäße Betreuungsangebote bezeichnet."
Konkret bestehen diese Angebotsfelder bei der Farm in Lärz aus einem Hüttenbaubereich, einem Garten, einem offenen Spielbereich, einer Feuerstelle, einer Werkstatt und Fahrradwerkstatt und der Option für einen Kleintierbereich. Indoor wird es einen Gruppenraum mit Küche, sowie einen Raum zum Zurückziehen und Basteln geben.
Das Konzept der Kinder- und Jugendfarm folgt der Pädagogik des Situationsansatzes und der Abenteuerpädagogik. Es sieht vor, dass sich das Angebot der Farm nach den Interessen und Wünschen der Kinder und Jugendlichen richtet. Die oben genannten Angebote des Raumkonzeptes sind somit nur primär geplante Aktivitäten, die jederzeit verändert, ergänzt und erweitert werden können.
Die Abenteuer- und Erlebnispädagogik unterscheidet sich im wesentlichen von anderen pädagogischen Konzepten dadurch, dass viel Wert auf ganzheitliches Erlernen von lebenspraktischen Aspekten mit allgegenwärtigem Bezug zur Realität gelegt wird (vgl. Berthold/ Ziegenspeck, 2002, S. 17). Die Handlungs- und Erlebnisfähigkeit in der erlebnisorientierten Jugendhilfe beschreibt die längerfristige, aktiv handelnde Auseinandersetzung mit dem Leben, nicht jedoch die spektakuläre und aktionsreiche Seite des schnellen Erlebnisses. Es wird dabei nicht auf Abenteuer, Aktion, Erlebnis und Handlung verzichtet. Eindeutiges Ziel ist aber die Schulung ganzheitlicher menschlicher Erlebnisfähigkeit (vgl. Bauer/ Ziegenspeck, 2001, S. 22).
Betrieben wird die Kinder- und Jugendfarm „Freier Himmel" durch den Kulturkosmos Müritz e.V. Der Kulturkosmos ist seit 1999 ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Lärz, national und international durch seine Kulturveranstaltungen und Festivals auf dem vereinseigenen Gelände bekannt. Seit 22 Jahren ist der Kulturkosmos als freier Träger tätig und seit 2009 auch als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt.
Das über 100ha große Gelände des Kulturkosmos ist ca. einen Kilometer von der Farm entfernt und ist somit vielseitiger Exkursionsraum und Kooperationsstätte für ausgelagerte Aktivitäten. Weitere Kooperationspartner:innen sollen u.a. die Schulen der Region sein, vor allem hinsichtlich der Nachmittagsangebote und Betreuung ist eine Zusammenarbeit geplant.
Auf dem Gelände der Farm wird ein Haupthaus gebaut, dieses besteht im Erdgeschoss aus verschiedenen Containern für Lagerräume, Werkstätten und sanitäre Anlagen, das zweite Stockwerk wird ein Holzrahmenbau, darin finden ein Gemeinschaftsraum, ein Bastelraum, eine Küche und ein Bad platz.
Das Gebäude und auch das Gelände können neben dem Farmbetrieb für Aktivitäten und Interessen der Gemeinde genutzt werden. Für die Betreuung der Farm wird eine feste Stelle geschaffen die durch Fachpersonal, wie Sozialpädagog:innen oder Sozialarbeiter:innen, besetzt werden soll. Das Fachpersonal soll durch ein:e FSJler:in oder Bufdi unterstützt werden.
In der Region gibt es wenig Freizeitangebote und außerschulische Projekte für diese Zielgruppe. Gerade in der Entwicklungsphase vom Kind zum Jugendlichen ist es wichtig die Möglichkeit zu haben sich in Projekte einzubringen, in denen die persönliche Entwicklung, aber auch die Entwicklung zu einem souveränen Mitglied unserer Gesellschaft, und nicht nur schulisch erlernbare Kompetenzen, gefordert und gefördert werden.
Die Kinder- und Jugendlichen sollen ökologische Zusammenhänge und verschiedene Maßnahmen zum Erhalt und Schutz der Umwelt kennenlernen, als auch für nachhaltige Entwicklung sensibilisiert werden. Der partizipativ pädagogische Ansatz der Kinder- und Jugendarbeit zielt darauf ab demokratische Prozesse kennen und schätzen zu lernen. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich als handelnde Subjekte erleben, die selber handlungsfähig und in ihren Meinungen gestärkt sind. Die pädagogische Arbeit berücksichtigt, dass die heranwachsende Generation in höherem Maße als bisher mit vielfältigen Lebensformen und Kulturen leben und arbeiten wird.
Die Bereitstellung von Freizeitangeboten und Aktivitäten für Kinder und Jugendliche ist auf verschiedenen Ebenen gesetzlich verankert und geregelt. Die UN-Kinderrechtskonvention schreibt vor, dass die Vertragsstaaten das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit anerkennen und das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben fördern und geeignete Möglichkeiten bereit stellen. Darüber hinaus wird dieses Recht im 1. SGB und 8. SGB weiter verankert. Der Aufbau der Farm ist in Stufen untergliedert, die Farm soll zusammen mit den Kindern sukzessiv wachsen.
Der Kulturkosmos wird im Sommer 2021 das Gelände „Freier Himmel" erschließen, bis zum Frühjahr 2022 soll der erste Bauabschnitt für das containerbasierte Gebäude der Kinder- und Jugendfarm errichtet sein. Ab dann sind die Kinder und Jugendlichen willkommen und können sich am weiteren Aufbau und der Gestaltung des Geländes beteiligen.
Lärz, den 14.06.2021
Im Frühjahr 2009 hat der Kulturkosmos ein neues großes und aufwendiges Projekt begonnen: den Bau eines Gäste- und Seminarhauses in unmittelbarer Nähe des Vereinsgeländes.
Seit mehr als 10 Jahren entwickelt sich auf dem Flugplatzgelände des Kulturkosmos ein kulturelles Veranstaltungszentrum. Neben der kulturellen Arbeit hat sich der Verein in den vergangenen Jahren auch dem Bereich der Jugendarbeit zugewandt. Auf dem Gelände finden in zunehmendem Maße Aktivitäten und Veranstaltungen statt, die der Jugendarbeit und Jugendhilfe zuzuordnen sind. Dazu zählen u.a. regionale und internationale Jugendcamps, Sportveranstaltungen, Workshops in Eigenregie oder in Zusammenarbeit mit assoziierten Vereinen und Bildungsträgern. Wir können zwar ein umfangreiches Raumangebot zur künstlerischen und kulturellen Nutzung anbieten, verfügten aber bislang über keine Unterbringungsmöglichkeiten zur Beherbergung von Menschen, die diese Räume nutzen wollen.
Vor diesem Hintergrund hatten wir seit Längerem den Bau von Räumlichkeiten zur Unterbringung von Nutzer:innen und Gästen geplant. Überraschenderweise ergab sich im Herbst 2008 die Möglichkeit, das ehemalige Lehrlingsheim der Schiffswerft Rechlin zu kaufen. Das Objekt: Das Areal liegt in freier Lage zwischen Rechlin und Retzow links der B 198. Erbaut in den 1930er Jahren im Zusammenhang mit der militärischen Nutzung des Flugplatzes Lärz, wurde das damals einstöckige Gebäude nach dem Krieg bis Ende der 1960er Jahre nur noch temporär genutzt. 1970 ging das Objekt an die Rechliner Schiffswerft und wurde großräumig und zweistöckig zu einem Lehrlingswohnheim umgebaut. Neben einer Hausmeisterwohnung bot das Haus damals Platz für die Beherbergung von 100 Lehrlingen. Nach der Wende und mit dem Niedergang der Werft stand das Gebäude wieder leer und wurde dem Vandalismus überlassen. Das Gebäude ist bis zum Erwerb durch den Kulturkosmos im November 2008 eine Ruine gewesen und war somit komplett sanierungsbedürftig. Die örtliche Lage, Größe und Raumkonzept sind für uns optimal: Das Objekt liegt freistehend im Außenbereich inmitten eines riesigen Ackers, wenige hundert Meter nördlich des Kulturkosmosgeländes. Über einen direkten Fuß- und Fahrradweg ist das Haus direkt am Kulturkosmosgelände angebunden.
Als reines Gästehaus für den Kunst- und Kulturbetrieb des Vereins ist eine ganzjährige und regelmäßige Auslastung der entstehenden Räumlichkeiten nicht zu erwarten. Eine solche Auslastung ist aber die Voraussetzung, dass sich das Haus selbstständig tragen kann. Deshalb, und auch weil wir es spannend und wichtig finden, ist ein breiteres Nutzungskonzept geplant. Wir wollen hier eine einzigartige Begegnungsstätte für Jugendliche und Erwachsene schaffen. Wir denken, dass die Räumlichkeiten als besonderes, kostengünstiges Seminar- und Tagungshaus eine vielseitige Nutzung und flexible Gestaltung ermöglichen können. Durch unsere Aktivitäten, insbesondere durch das Fusion Festival, ist in den vergangenen Jahren ein weit verzweigtes Netzwerk aus Initiativen, Vereinen, Fachkräften und Gruppen entstanden. Die Räumlichkeiten sind geeignet für die Durchführung von Tagungen, Seminaren und Workshops für unterschiedliche Gruppen unterschiedlicher Größe und Altersstufen. Um Offenheit zu bewahren und Vielseitigkeit zu fördern, sollen verschiedene Varianten der Nutzung des Hauses bestehen. Das Haus steht daneben auch Gruppen offen, die einfach entspannt und ohne allzu hohe Kosten mal ein Wochenende gemeinsam an einem schönen ruhigen Ort verbringen wollen, um dort was auch immer zu tun. Die räumlichen Belegungsmöglichkeiten des Gebäudes sind variabel. Es werden vier Wohneinheiten entstehen, mit je einem Wohn-/Seminarraum mit Kochgelegenheit und insgesamt 16 Schlafräumen. Diese können bedarfsgerecht und weitgehend flexibel den Wohn-/Seminarräumen zugeordnet werden. Somit entsteht Raum für kleine, mittlere und große Gruppen. Die geplante Bettenzahl liegt bei 34 und mit Aufbettung können bis zu 45 Schlafplätze angeboten werden. Dazu gibt es einen zentralen Speisesaal mit Großküche, einen separater Sport- und Seminarraum sowie einen zentralen, sehr schönen Saunabereich. Im Sommer kann auch der Garten mit Schwimmteich mitgenutzt werden.
Seit 2009 arbeiten wir Stück für Stück mit Unterstützung von Wandergesell:innen, Handwerker:innen und Bauarbeiter:innen an der baulichen Umsetzung des Gebäudes und des Geländes. Wir haben hierfür Handwerker:innen aus der Region und immer wieder kurzzeitig Gesell:innen eingestellt, um das Haus soweit als möglich in Eigenleistung aufzubauen. Zuerst musste gemeinsam mit der Gemeinde und dem Landkreis geklärt werden, wie die baurechtliche Grundlage für die Sanierung und den Wiederaufbau zu schaffen ist. Danach musste das Haus erst mal mit einem neuen Dach versehen werden, um den weiteren Verfall zu stoppen. Dazu bekamen wir die Unterstützung des „FBS“, einer Vereinigung von reisenden Handwerksgesell:innen, die im Herbst 2009 in gemeinsamer ehrenamtlicher Arbeit das neue Dach gebaut haben. Im Herbst 2010 hat „Axt und Kelle“, ein weiterer Handwerksschacht, mit über 30 Handwerksgesell:innen eine Soli- Baustelle mit Jahrestreffen veranstaltet und dem Projekt damit noch mal ordentlich Schub gegeben. Nachdem die Rohbauarbeiten in Teilen des Hauses abgeschlossen waren, konnte im Frühjahr 2011 mit der Installation von Heizung, Sanitär und Strom begonnen werden. 2012 war der Rohbau weitestgehend fertig, ab 2013 haben wir mit Ausbau und Fassade des Gebäudes begonnen. Dadurch, dass Planung und Ausbau ohne Zeitdruck und in eher organischen Intervallen vonstattenging, konnte mit ungewöhnlich viel Sorgfalt und Kreativität gearbeitet werden. Die Handwerksgesell:innen haben hierbei einige wirklich besondere Ecken im und am Haus geschaffen. Auch die Schlafzimmer werden jeweils von verschiedenen Künstler:innen-Gruppen gestaltet. Noch sind aber nicht alle Räume fertig. Auch wenn das Haus noch eine sich stetig wandelnde Baustelle ist, hat es schon seinen ganz eigenen Stil entwickelt. 2015 haben wir es erstmalig zur Unterbringung von Künstler:innen während der Festivals genutzt. Eine Fertigstellung des Hauses können wir uns für 2017 vorstellen. Schon jetzt ist es ein ganz besonderer Ort und alle sind in Zukunft eingeladen, dieses Haus für ihre gruppenspezifischen Aktivitäten in verschiedenster Form zu nutzen.